Die CSU ist einfach die bessere Kirche

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Seit Monaten, ach was, seit Jahren kühlt sich das Verhältnis zwischen den großen christlichen Kirchen und der immer noch das C im Namen tragenden CSU ab. Daran ist zu einem großen Teil die Flüchtlingspolitik dieser Partei Schuld, insbesondere die Rhetorik, die manchmal kaum noch von der der AfD zu unterscheiden ist. Wer von Menschen in Not nur noch in Zahlen denkt, ohne auch nur anzuerkennen, dass da persönliche Schicksale dahinterstehen (69 Abschiebungen an Seehofers 69. Geburtstag), wer verächtlich von „Asyltouristen“ und „Asylgehalt“ redet und und und – der bekommt meines Erachtens vollkommen zu Recht Widerspruch aus den Reihen der Kirchen. Und das schon ganz unabhängig davon, wie wir vielleicht zu den Themen Asyl, Abschiebung usw. stehen. Denn das gehört zum christlichen Menschenbild unverrückbar dazu: Jeder Mensch ist von Gott geliebt. Auch der Fremde. Auch der, der wieder abgeschoben werden soll. Schon die Propheten im Alten Testament forderten immer wieder, dass der „Fremdling“ im Land gut zu behandeln sei. Kein ganz neues Problem also. 

Dass nun auch noch Menschen kriminalisiert und bestraft werden sollen, weil sie anderen in Seenot das Leben gerettet haben, das kann ich beim besten Willen nicht mehr in irgend einer Weise mit dem christlichen Glauben in Verbindung bringen. 

Und dann sind da noch diese staatlichen Glaubensprüfungen bei Asylverfahren. Menschen, die sich haben taufen lassen, müssen vor einem staatlichen Gericht beweisen, dass sie diese Taufe wirklich ernst gemeint haben. Wenn ich mir dann ansehe, was für Fragen da gestellt werden, zeugt das von einer großen Glaubens-Unkenntnis mancher Fragenden. Irgendwelche biblischen Detailfragen, bei denen vermutlich mindestens 80% unserer Konfirmandinnen und Konfirmanden auch scheitern würden. Gelegentlich sogar sachlich falsch. Mal abgesehen davon, dass es eine Anmaßung ist, wenn der Staat über Glauben oder Nichtglauben urteilen will. Da gibt es Menschen, denen droht in ihrer Heimat Iran die Todesstrafe, weil sie den christlichen Glauben angenommen haben – und dennoch müssen sie fürchten, abgeschoben zu werden. 

Nun gut. Bringen wir mal auf den Punkt, was für mich christlicher Glaube bedeutet. Ich hatte vor Jahren schon mal eine Art „persönliches Glaubensbekenntnis“ geschrieben, aber für heute sind mir bestimmte Punkte wichtig.

Insbesondere ist das die Bergpredigt, die man, finde ich, nicht oft genug lesen kann (Matthäus, Kapitel 5 bis 7). Die Diskussion geht ja schon lange, ob die Bergpredigt mit ihrer geradezu irrationalen und oft als weltfremd angesehenen Menschenfreundlichkeit und Güte gegenüber jedermann überhaupt für die Politik geeignet sei. Für mich ist sie für mein eigenes Leben wichtig. Doch wenn eine Partei sich „christlich“ nennt, muss sie sich selbstverständlich daran messen lassen, was Jesus sagt. „Wenn dich jemand auf die rechte Backe schlägt, dann halte ihm auch deine andere Backe hin!“ (Mt 5,39) ist wohl einer der bekanntesten Sätze daraus. Wer das tut, wird irgendwie als irre dargestellt, auch heute noch. Aber ich glaube wirklich, dass wir nur durch Vergeben und den anderen Annehmen zu einer friedlichen Welt finden können. 

Jesus sagt auch, dass ich eben nicht nur meinen „Nächsten“ lieben soll – das kann schließlich jeder. Sondern: Meine Feinde. (Mt 5, 43 ff) Wobei lieben eben nicht bedeutet, zu allem Ja und Amen zu sagen, was die so sagen und tun – aber sie als Menschen zu akzeptieren. Ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Und: Jeder und jedem mit Menschenfreundlichkeit, Liebe und Respekt zu begegnen. Ganz gleich, wie mein Gegenüber sich aufführt.

Einen wahren Christen, eine wahre Christin sollte man, so meine ich, schon an ihrem Leben erkennen. Daran, dass sie freundlich sind. Hilfsbereit. Und, ja, opferbereit. Natürlich sind wir alle nicht perfekt. Wer von uns würde so weit gehen wie Jesus und sich nicht wehren, wenn der Tod droht? Nur wenige. Einer der Asylbewerber meinte: „Wenn es Gottes Wille ist, dass ich zurückgeschickt werde, dann gehe ich. Ich fürchte mich nicht vor dem Tod.“ Was für ein starker Glaube, egal, ob er nun Detailwissen zur Bibel hat oder nicht. Ob ich das könnte? Ich weiß es nicht.

Jedenfalls ist der christliche Glaube keiner, der im Kampf mit anderen steht. Sondern einer, der liebevoll und aufopfernd für alle da ist. Unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Glauben. Wie gesagt, nicht so, dass wir alles akzeptieren müssen, was die so sagen und tun. Auch Jesus hat mit den Pharisäern und Schriftgelehrten und vielen anderen heftig gestritten. Aber er hat nicht gesagt: „Heute an meinem 30. Geburtstag habe ich 30 Pharisäer zur Schnecke gemacht.“ Er hat die Menschen ernst genommen. Ob Aussätziger oder Schriftgelehrter.

Nun hat Markus Blume, der Generalsekretär der „Christlich-Sozialen Union“, einen bemerkenswerten Satz gesagt. Die CSU vertrete „das Bekenntnis zur christlichen Prägung unseres Landes und seinen christlichen Werten oftmals offensiver“ als die Kirchen. Und: CSU und Kirchen verträten „unverändert dieselben Grundwerte und Grundüberzeugungen“.

Ja Wahnsinn, Herr Blume. Nein, wir teilen ganz offensichtlich nicht mehr dieselben Grundwerte. Viele der „einfachen“ Mitglieder sicher noch, ich kenne ja eine ganze Menge ernsthafter Christen. Doch die offizielle Linie Ihrer Partei ist davon weit entfernt. Am Umgang mit den Menschen, die bei uns Schutz suchen, sehen wir das am deutlichsten, aber es gäbe noch viele andere Punkte. 

In einem haben Sie allerdings recht: Sie vertreten das, was Sie für Christentum halten, offensiver. Das mag daran liegen, dass dem Christentum das „offensive“ eben gar nicht innewohnt. Das haben auch viele Christen in der Vergangenheit falsch interpretiert – man denke nur an das dunkle Kapitel der Kreuzzüge und Hexenverfolgungen, aber auch an die „Deutschen Christen“ in unserer gar nicht so lange zurückliegenden Vergangenheit. Nein, der christliche Glaube ist nicht offensiv. „Offensiv“ kommt aus dem Lateinischen, von offendere – angreifen, beleidigen. Nein, wir greifen niemanden an. Wir kümmern uns um die Angegriffenen. Wenn Sie offensiv sein wollen – dann bitte ohne C im Namen.

Wenn Sie „christliche Grundüberzeugungen“ in unserem schönen Bayern stärken wollen, dann kommen Sie doch mal nicht in die Bierzelte, sondern in die vielen, oft (aber nicht immer) christlich geprägten Flüchtlingshilfebewegungen. Hunderttausende engagieren sich für diese Menschen in Not. Sie verzweifeln an der staatlichen Gängelung und Willkür. An der ausländerfeindlichen Rhetorik. An unverständlichen Arbeitsverboten und Abschiebungen von seit Jahren integrierten Menschen, die wir dringend brauchen. An der Missachtung der zwischen Staat und Kirche eingespielten Regeln für Kirchenasyl und so weiter. Das ist keine Eliten-Perspektive, Herr Blume. Das ist die Perspektive von unten. Das ist die Perspektive derer, die unsere Hilfe und unsere Zuwendung brauchen. Egal, ob sie Christen sind oder nicht.

Wenn Sie „christliche Grundüberzeugungen“ in unserem schönen Bayern stärken wollen, dann denken Sie bitte daran: Jesus war kein Bayer. Er war – in seiner Kindheit – sogar einmal ein Flüchtling. Er wurde von der Staatsgewalt verfolgt und zum Tod verurteilt. Und: Das Christentum ist nicht bayerisch. Es ist international. „Katholisch“ bedeutet übersetzt genau das: „auf der ganzen Welt“. Mit dem Christentum können Sie eine ausgrenzend-nationale Politik jedenfalls nicht begründen, denn wir sind international und pflegen Beziehungen in die ganze Welt. 

Wenn Sie die Überzeugungen, die Sie vertreten, vor allem bei Ihren Auftritten in bayerischen Bierzelten bestätigt finden, dann lassen Sie sich auch da bitte gesagt sein: Nicht alle Menschen in Bayern gehen in Bierzelte. Und erst recht nicht, wenn da gerade jemand von der CSU auftritt. Von Ihren CSU-Fans bei Blasmusik und Weißwurst auf ganz Bayern zu schließen, zeigt schon eine gewisse Hybris.

Das Christentum, das die CSU offiziell vertritt, ist von dem, wie ich es verstehe, meilenweit entfernt. Also, bitte, tun Sie nicht so, als seien Sie die bessere Kirche.

3 »Glückselig sind die, die wissen,
dass sie vor Gott arm sind.
Denn ihnen gehört das Himmelreich.
4 Glückselig sind die,
die an der Not der Welt leiden.
Denn sie werden getröstet werden.
5 Glückselig sind die,
die von Herzen freundlich sind.
Denn sie werden die Erde als Erbe erhalten.
6 Glückselig sind die,
die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit.
Denn sie werden satt werden.
7 Glückselig sind die,
die barmherzig sind.
Denn sie werden barmherzig behandelt werden.
8 Glückselig sind die,
die ein reines Herz haben.
Denn sie werden Gott sehen.
9 Glückselig sind die,
die Frieden stiften.
Denn sie werden Kinder Gottes heißen.
10 Glückselig sind die,
die verfolgt werden,
weil sie tun,
was Gott will.
Denn ihnen gehört das Himmelreich.
11 Glückselig seid ihr,
wenn sie euch beschimpfen,
verfolgen und verleumden –
weil ihr zu mir gehört.
12 Freut euch und jubelt!
Denn euer Lohn im Himmel ist groß!
Genauso wie euch
haben sie früher die Propheten verfolgt.«
Matthäus 5, 3-12 – BasisBibel