Vom Ende der Klimakrise – Eine Geschichte unserer Zukunft
„Fridays for future“ haben es geschafft, innerhalb eines Jahres die politische Diskussion in Deutschland und weltweit auf das wichtigste Zukunftsthema unserer Zeit zu lenken: Die drohende Klimaerhitzung, die unser Leben in nicht allzu ferner Zukunft grundlegend bedrohen wird, wenn wir nicht schnellstens und radikal umsteuern.
Diese Krise hat die Realitäten völlig umgedreht: Die Jugendlichen sind die, die Rationalität einfordern und auf die Resultate der Wissenschaft verweisen. Und die Erwachsenen benehmen sich zum Teil wie Kinder, die einfach nur wegschauen und die Wahrheit nicht akzeptieren wollen.
Luisa Neubauer wird manchmal die „deutsche Greta Thunberg“ genannt, denn sie ist das Gesicht der deutschen Fridays for Future-Bewegung. Zusammen mit dem Politökonomen Alexander Repenning hat sie nun ein Buch geschrieben.
Und dieses Buch hat es in sich. Die beiden zeigen, dass sie nicht nur Aktionismus „drauf haben“. Inhaltlich sind sie auf dem neuesten Stand der Wissenschaft. Trotz der katastrophalen Zukunftsaussichten, die die Klimawissenschaft aufstellt, wollen sie nicht den Kopf in den Sand stecken. Sie bezeichnen sich nicht als Pessimisten oder Optimisten – sondern als „Possibilisten“: Sie suchen das, was möglich (lat. possibilis) ist.
„Wir sind Teil des Problems“ - das wissen die beiden ganz genau. „Wir sind überfordert. Überfordert von der scheinbaren Großartigkeit dieser multioptionalen Konsumgesellschaft. Und überfordert von der Vorstellung, wer dafür eines Tages die Rechnung tragen wird: wir selbst.“
Dabei verstehen sie durchaus auch die Motive der Kritiker an Fridays for Future.
Es ist leicht, uns als undankbar abzustempeln. Und nachvollziehbar. Mit einem Mal erscheinen wir auf der Straße und beschweren uns, dass all der Wohlstand nichts wert ist, dass all die Mühe, Arbeit, Zeit und Energie, die in den vergangenen dreißig Jahren in die Umwelt- und Klimabewegungen geflossen sind, nicht genug waren. Das kann man so sehen. Nur wird dabei ein entscheidender Aspekt vergessen: Würden wir überhaupt auf die Straße gehen, wenn wir nicht von den Generationen vor uns gelernt hätten?
Wichtig sei es, eine neue Routine zu installieren: Es müsse nicht mehr mit einem Mehraufwand einhergehen, sich ökologisch zu verhalten.
Am Ende muss die sogenannte Baseline, also der große gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmen, eine ökologische sein. Auch dann noch wäre es jedem Einzelnen möglich, sich umweltschädlich zu verhalten; das würde aber zum Sonderfall. Und zwar ein Sonderfall, für den der Betreffende dann auch die gesellschaftlichen Mehrkosten tragen muss.
Auch der Journalismus müsse sich ändern: Warum eigentlich gebe es eigene Journalisten, die jeden Tag die Börse beleuchten, aber die die ganze Welt betreffende Klimakrise werde nur dann zum Thema, wenn es wieder einen besonderen Anlass dazu gebe?
Jeden Tag werden die knapp zehn Millionen Zuschauer*innen in der Tagesschau von einem Profi über den Tag an der Börse informiert, die sich für die meisten anfühlt wie eine Parallelwelt. Der Zustand unserer Lebensgrundlagen hingegen findet nur Erwähnung, wenn etwa ein Auslandskorrespondent einige Minuten über eine katastrophale Überschwemmung sprechen darf.
Ihre Kritik richtet sich naturgemäß auch gegen die herrschende Form des „fossilen Kapitalismus neoliberaler Prägung“. „An vielen Orten gefährdet er durch den exzessiven Ressourcenverbrauch die Existenzgrundlagen menschlichen Lebens.“ Es sei daher Zeit für einen Paradigmenwechsel.
Wie kann dieser Wandel gelingen? Die beiden nehmen als Beispiel für einen anderen Paradigmenwechsel, der ebenfalls große wirtschaftliche Auswirkungen hatte, die Abschaffung der Sklaverei. Auch hier setzte sich eine moralische Erkenntnis gegen die wirtschaftlichen Interessen durch. Der Kampf gegen den Klimawandel jedoch ist noch weitaus komplexer. Gemeinsam ist beiden Systemen jedoch, dass sie auf Ausbeutung beruhen – einmal die der Sklavinnen und Sklaven, einmal die Ausbeutung der Natur.
Wichtig ist ihnen, nicht Angst vor der Zukunft zu machen – selbst wenn diese Zukunft eine Dystopie ist und die Angst vor der Zukunft wissenschaftlich fundiert ist. Sie schreiben: „Wir brauchen eine Utopie.“ Wichtig sei es, Lust auf eine neue Zukunft zu machen. Auf ein Leben, das im Einklang mit der Natur steht.
Luisa Neubauer und Alexander Repenning wollen nicht (nur) Angst verbreiten, sondern die Träume von einer neuen, anderen Zukunft teilen. Nur so ist es ihrer Meinung nach möglich, die bisherigen Wirtschaftsstrukturen zu überwinden.
Dazu sei es auch nötig, sich zu organisieren. Sich zu informieren. Eine neue Bewegung zu schaffen. Auch, wie dies möglich ist, beschreiben sie kurz in ihrem Buch. Online und offline listen sie Ideen auf für eine neue Vernetzung aller, die gemeinsam für die Bewahrung der Welt eintreten wollen.
Das ganze Buch ist eine ausgesprochen gut gelungene Mischung aus wissenschaftlichen Fakten und persönlichen Erlebnissen. Es wird deutlich, wie die beiden zu ihren Entscheidungen und Erkenntnissen kamen. Es wird deutlich, wie dringend es ist, jetzt zu handeln. Es wird deutlich, dass wir kaum noch eine Chance haben, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten – doch noch können wir sie nutzen.
Es ist ein Buch, das keine Panik verbreitet und doch die Dringlichkeit des Anliegens zeigt: Sowohl auf der persönlichen Ebene als auch wissenschaftlich fundiert. Ein Buch, das Hoffnung macht, wo kaum noch Hoffnung ist. Unbedingt lesenswert.
Buchinformationen
Luisa Neubauer, Alexander Repenning: Vom Ende der Klimakrise: Eine Geschichte unserer Zukunft. Broschiert, 304 Seiten, Verlag: Tropen; 1. Auflage 2019, ISBN 978-3-6085-0455-2, 18,- € (E-Book 13,99 €)